Schröcksnadel vs. Fenninger - bezeichnend für Österreichs Sport?

Resümee? Friede, Freude, Eierkuchen!


Thomas Hirner schreibt auf derstandard.at

Sportredakteure "freuen" sich über eine willkommene Abwechslung in der nahezu fußballfreien Zeit. Der Skiverband freut sich über Werbung (Stichwort: auch negative Werbung ist Werbung). Und manche deutsche Autobauer lachen sich in einer wohl für den Verkauf günstigen Zeit ins Fäustchen.

 

Die Kurz-Zusammenfassung der ganzen Geschichte lautet in einem Satz: Herr Kärcher nennt sich fortan "Berater" von Anna Fenninger und nicht mehr "Manager". 


Viel wurde über die Pressekonferenz am Donnerstag, 18.6.2015, als vorläufigen Schlusspunkt der Auseinandersetzung zwischen Anna Fenninger (bzw. ihrem Umfeld) und dem ÖSV/Schröcksnadel geschrieben und es wird noch viel geschrieben werden. Vorab: vergessen Sie grundsätzlich, was Sie in der Kronen Zeitung über den Fall lesen oder was im ORF berichtet wird...

Beide Medien, die in Summe für einen Großteil der Meinungsbildung in Österreich verantwortlich sind, sind Sponsorpartner des ÖSV und als solche alles andere als unabhängig. Natürlich gibt es dort Journalisten, die ganz gern die Wahrheit oder ihre persönliche Sichtweise berichten würden. Sie dürfen es aber nicht, denn die guten Geschäftsbeziehungen dürfen nicht gefährdet werden. Die Kronen Zeitung ist im Prinzip das offizielle Verlautbarungsorgan des ÖSV bzw. der Person Peter Schröcksnadel und seiner Firmen. Was vielleicht viele vergessen haben: Es war die Kronen Zeitung, die mit einer massiven Kampagne nach den Olympischen Spielen 2012 Peter Schröcksnadel zum heilsbringenden Retter des Sommersports hochstilisiert hatte. Da blieb auch dem Minister nichts anderes übrig als zuzustimmen, als es um die Besetzung des Chefkoordinators des mit € 20 Millionen dotierten "Rio 2016 Projekts" ging. Schröcksnadel, der seinerseits auch im Clinch mit dem ÖOC gelegen war, wurde weiters 2012 als Vizepräsident in den ÖOC-Vorstand zurück geholt. Seither ist es dort ruhig.

 

Das mediale Echo und vor allem die Anteilnahme der Menschen über diverse Kanäle wie soziale Netzwerke und Online-Foren zur Causa Fenninger und der Pressekonferenz waren und sind gewaltig. Der Online-Standard verbuchte innerhalb von 45 Minuten mehr als 2800 Kommentare zu diesem Thema, das sind deutlich mehr als für die Präsentation der Steuerreform oder das potentielle "Grexit". Rund 90% der Kommentare wunderten sich über den Auftritt von Schröcksnadel, standen auf der Seite von Fenninger und/oder forderten den sofortigen Rücktritt von Schröcksnadel. "Eine Schande für den österreichischen Sport" wurde vielfach geäußert. (Anm: Der Anteil der Personen, die sich auf die Seite eines Sportlers bei einer Auseinandersetzung mit einem Funktionär stellen, ist allerdings fast immer in diesem Bereich ziemlich unabhängig von den Inhalten oder einer etwaigen Schuld - siehe auch den Fall Dinko Jukic.)

 

Die Pressekonferenz selbst beschreiben Berufs-Journalisten zurückhaltend mit "ganz komisch", etwas direkter "wie in Nordkorea". Hinsichtlich Skurrilität und Absurdität (inkl. Frauenfeindlichkeit) vermochte der ÖSV-Präsident - mit 5 Pressesprechern angereist - gegenüber der legendären Turin-Dopingskandal PK ("too small country to do good doping") jedenfalls noch eins draufzusetzen. Der Unterhaltungswert war hoch, das Ergebnis inhaltlich bescheiden. Anna Fenninger oder ihr Manager (Berater?) waren nicht dabei, also wurde auch nur eine Seite gehört. Im Prinzip war es auch gar keine Pressekonferenz und die Journalisten hätten diese bizarre Veranstaltung eigentlich boykottieren müssen. Kritische Fragen waren nur bedingt zugelassen und erst danach kamen viele drauf, dass noch so viele andere Fragen aus der Vergangenheit des ÖSV nie zufriedenstellend beantwortet wurden. Transparenz und Demokratiebewusstsein schauen jedenfalls anders aus. Kaum war die einseitige Verkündigung einer harmonischen Einigung fertig formuliert (u.a. "Mit dem Herrn Kärcher wollen wir nichts mehr zu tun haben." (Anm: Schröcksnadel sagte kurz zuvor, dass er das letzte Mal mehr als ein Jahr davor mit Herrn Kärcher gesprochen hätte)), kam auch schon eine Aussendung der Vitesse Kärcher GmbH, wo explizit betont wurde, dass Kärcher weiterhin die Interessen von Anna Fenninger vertreten würde - eben als "Berater".

 

Es darf nicht übersehen werden, dass es beim Streit selbst letztlich nicht mehr um die Frage ging, ob es zulässig sei, dass Anna Fenninger im Widerspruch zu einer Athletenvereinbarung für eine andere Automarke als jene des ÖSV-Hauptsponsors Werbung machen dürfe. Vielmehr ging es darum, ob sich der ÖSV/Schröcksnadel an eine kurz zuvor getroffene Vereinbarung gehalten hatte, wonach Fenninger das Recht zugestanden wurde, eine bereits mehrere Monate zuvor fixierte Werbung (das shooting fand bereits im März 2015 statt) für den karitativen Laureus-Award unter Einbeziehung einer anderen Automarke noch machen zu dürfen. Nach veröffentlichten Berichten (Skocek/Wirtschaftsblatt) hatte Fenninger und ihr Management der Umstand in Rage gebracht und zu einem sehr emotionalen facebook-posting veranlasst, dass nach deren Ansicht nachträglich vom ÖSV unzulässige Ergänzungen zum schriftlichen Protokoll gemacht wurden, die im Widerspruch zu dieser Einigung standen. Deshalb verwendete sie auch den Begriff "Lügner", für den sie sich nach Aussage von Schröcksnadel bei der PK bei einem persönlichen Gespräch wieder entschuldigte.

 

Das Original facebook-posting von Anna Fenninger (Dienstag, 16.6.2015, 19:11), das bis Freitag, 19.6.2015, 18:30 über 110.000 "likes" erhalten hat und das sie auch immer noch mit ihrer website verlinkt hat:

 

"7 stunden an einem runden tisch bespricht man punkt für punkt inklusive dem laureus/mercedes thema. die herrschaften zeigen sogar verständnis und doch ist wieder alles ganz anders. – jetzt verstehe ich auch warum neutrale personen an diesem tisch nicht erwünscht waren.

 

wenn man an einem punkt angelangt ist und merkt, dass man jahre lang hintergangen wird, versprechen nicht eingehalten worden sind, sich fügen ohne argumentation täglich brot ist, wertschätzung gegenüber frauen an frühere zeiten erinnert, dass alle nach der pfeife von nur einem einzigen tanzen müssen, ist man erfolgreich – muss man geben – man wird hin und her gereicht – und am ende des tages? das ergebnis? ein stolzer tiroler der die hände nicht mehr runter bekommt.

 

3 jahre habe ich versucht demokratisch vorzugehen – lösungen zu finden –ohne erfolg! irgendwann stellt man sich eine grundsatzfrage: füge ich mich dem system? sollte ich akzeptieren, dass man als frau immer zurückstecken muss? ich bin immer schon meinen eigenen weg gegangen. habe auch ausserhalb vom „system“ meine entscheidungen getroffen. sonst wäre ich jetzt nicht da wo ich bin. die kombination machts aus.

 

nun – auch dieses mal habe ich mich nicht für den leichten weg entschieden – mein bauchgefühl sagt mir, dass ich für meine persönlichen rechte kämpfen muss. am ende des tages stehe ich mit sicherheit mit reinem gewissen da – denn ehrlichkeit ist nie verkehrt. leider können mit der wahrheit manche nicht umgehen. sie tun alles um mich fertig zu machen und sind am besten weg dazu.

 

an diesem punkt stelle ich mir die frage? sind wahrheit und ehrlichkeit heute nichts mehr wert? ist das doch nicht der richtige weg? viele da draussen denken meine intention ist geld – na klar, es wird auch so dargestellt.... wenn ich aber nur eine sekunde an geld denke, werde ich im sport nicht mehr erfolgreich sein. diesen satz sollte sich jeder sportler der erfolgreich werden möchte gut einprägen. normalerweise will ich mich nicht rechtfertigen und ich habe das auch nicht nötig.

 

ich bin ein bescheidener mensch, der nicht viel braucht um glücklich zu sein. meine prinzipien im leben sind ganz einfach: ehrlichkeit, respekt gegenüber anderen, gerechtigkeit, loyalität und toleranz. genau diese prinzipien sind es die mich zur zeit in schwierigkeiten bringen.... da fragt man sich was ist heute noch richtig?

 

was auch immer passiert – ich kann immer mit reinem gewissen in den spiegel schauen.

 

wenn wir ehrlich sind zählt meine meinung nicht – mir wird sowieso das wort im mund umgedreht. ehrlichkeit hat hier keinen platz – ich bin müde und kann nicht mehr. ich habe all diese lügen satt!"

 

Schröcknadel war zumindest in dieser Schlacht der Gewinner, der Krieg scheint aber kaum vorbei zu sein. So wie die meisten Kommentatoren Anna Fenninger nach ihrem posting Mut und Unterstützung zusprachen, so betrachten nun viele diese "Einigung" als Umfaller von Fenninger. Bei einer Befragung auf der Sport-Plattform laola1.at sehen fast zwei Drittel der Abstimmenden Fenninger jetzt als unglaubwürdig an.

 

Eines kann man über Herrn Schröcksnadel sicher behaupten: Grundsätzlich hat er sein Herz am rechten Fleck, er engagiert sich mit aller Kraft für "seinen" ÖSV und "seine Sportler". Er ist aber auch ein sturer, alter Tiroler, wie man sich diesen klischeehaft vorstellt (den es in Wirklichkeit aber wohl kaum mehr gibt). Man kann und sollte einen Sportverband eigentlich nicht mehr mit dieser Art von Kommunikation und diesem Umgang mit Menschen führen - das ist eines modernen demokratischen Landes nicht würdig. Bei dieser Pressekonferenz wurde man unwillkürlich an legendäre Stronach-Interviews bei Armin Wolf oder auch an Richard Lugner erinnert. Aber es geht ja nicht um die ÖSV-Präsidentenfrage. Wenn die ihn wählenden Gremien der Meinung sind, dass er für den Job der beste Mann ist, so hat man das zu akzeptieren. Es verwundert aber nicht, wenn so manche ehemalige Schistars im persönlichen Gespräch berichten, dass im Verband wenig eitle Wonne herrscht. In Wirklichkeit kämpfen mehrere Cliquen eher gegeneinander als miteinander und eine der Hauptbemühungen des Verbandes besteht darin, dass die Sportler in ihren Interviews von der heilen Schiwelt im ÖSV berichten, andernfalls sie der große Zorn des allmächtigen Chefs treffen könnte.

 

Problematischer sind Schröcksnadels Funktionen und sein Einfluss in anderen Sportbereichen, wo ihn die Politik nicht nur eingesetzt hat, sondern auch noch immer die schützende Hand drüber hält. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Politik nicht ohne Rücksicht auf sportpolitische und mediale Netzwerke vorgehen kann bzw. sich nicht traut. Ein Sportminister, der sich mit dem Krone- und ORF-Verbündeten anlegt, kann gleich zurücktreten, das ist politische Tagesrealität.

 

Es geht aber längst nicht darum, ob Anna Fenninger im Widerspruch zu den Athletenvereinbarungen mit dem Verband ein anderes Auto als jenes des Verbandssponsors bewirbt. Es geht grundsätzlich um das Verhältnis zwischen Sportlern und den Verbänden/Institutionen. Nicht ohne Grund packen fast ausschließlich ehemalige Sportler über die teilweise schlimmen Zustände der österreichischen Sportstrukturen - gefördert mit vielen Millionen Steuergeld - aus. Jeder Spitzensportler und auch Trainer in diesem Bereich ist Nutznießer des Systems und wird sich dreimal überlegen, ob er seinen Fördergeber kritisiert. Nur intern - mittlerweile aber auch immer öfter bei diversen Gerichtsverfahren - hört man von seltsamen Machenschaften auf Kosten des Sports, von eitlen, machtgeilen und fachlich inkompetenten Funktionären, die von der Parteipolitik eingesetzt und gehalten werden bis hin zu echten Unterschlagungen von Millionen von Fördergeld wie z.B. im Fall Jungwirth, der sich damit nicht nur eine Fußbodenheizung im privaten Reitstall einbauen ließ. An dieser Stelle sei aber auch gleich vermerkt, dass der sich Großteil der (kleinen) Funktionäre meist unentgeltlich, dafür aber umso engagierter für den Sport einsetzt, und diese sind von den diversen Machenschaften am meisten frustriert.

 

Spitzensportler müssen sich aufs Training konzentrieren und sollten keine Energie dafür verschwenden, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Daher bleibt (fast) alles beim Alten, der zuständige Sportminister ist viel zu weit weg von der Basis und holt sich traditionell die falschen Einflüsterer. So kam es dazu, dass die eigentlich dringend notwendigen Strukturreformen im Österreichischen Sport nach den nicht so ganz erfolgreichen Olympischen Spielen 2012 in London lediglich darin mündeten, dass ein zusätzliches teures Geldvergabegremium ("Bundessportkonferenz") geschaffen wurde und medial gut darstellbar im Rahmen des "Rio 2016" Projekts € 20 Millionen für vier Jahre auf Sportler aufgeteilt wurden, die alle sehr brav waren, beim casting etwas vom angepeilten Olympiasieg erzählten (und hinter vorgehaltener Hand selbst darüber lachen mussten) und auch ein Naheverhältnis zu den wichtigen Sportstrukturen und Personen aufweisen konnten. Die persönlichen Gespräche dort verliefen etwas skurril, zeigte sich Schröcksnadel bei dieser Gelegenheit sichtlich vollkommen unvorbereitet. Entgegen des schriftlich vorgelegten Projekt-Konzepts galt die Förderung doch nicht für den gesamten Zeitraum.

 

Schröcksnadel selbst schmiss wortgewaltig nach der halben Zeit Sportler aus dem System, die wegen einer Verletzung oder Krankheit gerade nicht die erhoffte Leistung bringen konnten. Die betreffenden Sportler wurden dabei zum Teil zwei Jahre lang in keiner Form kontaktiert, alle Entscheidungen wurden irgendwo im Kämmerlein getroffen. So werden weiter Sportmillionäre gefördert, die die Bezuschussung aus Steuergeldern kaum bemerken, während andere junge Sportler, denen jede kleine Förderung eine signifikante Verbesserung der Trainingsbedingungen bedeutet hätte, durch den Rost fielen und sich daher mitunter vom Leistungssport verabschieden mussten.

 

Warten wir ab, wie es weitergeht. Die Angelegenheit hat jedenfalls eine Dimension erreicht, die weit über den ÖSV hinausgeht.

 

Anhang (Infos von wikipedia)

 

Neben seiner Tätigkeit als ÖSV-Präsident ist Peter Schröcksnadel Geschäftsführer von vier Tochtergesellschaften des ÖSV, namentlich Austria Skiteam Handels und Beteiligungs GmbH, Austria Ski Nordic Veranstaltungs GmbH, Austria Ski WM und Großveranstaltungs GmbH und Austria Ski Veranstaltungs GmbH. Die Firmen gehören zu den wichtigsten Veranstaltern von Großereignissen und anderen Wintertourismusevents in Österreich.
Sein Sohn Markus Schröcksnadel, welchen er als seinen Nachfolger aufbaut (SM Holding GmbH in Rum), ist wiederum Geschäftsführer der Vereinigten Bergbahnen GmbH, welche ebenfalls in 100-%igem Besitz der Familie steht. Zur Familiengruppe gehören auch die SV Beteiligungs GmbH und VB-HIWU Beteiligungs GmbH in Innsbruck (Beteiligungen in der Tourismusinfrastruktur).

Die Sitour Management und Vereinigte Bergbahnen halten etliche Skigebiete und Tourismusunternehmen. Einige davon: 80% an der Großglockner Bergbahnen Touristik GmbH, 50% an der Großglockner Hotel und Infrastruktur GmbH (GBT Ski-Holding GmbH in Heiligenblut), 100% an der Patscherkofelbahnen GmbH, 100% an der Ötscherlift-Gesellschaft mbH& Co KG, 99% an der Unterberghornbahnen Kössen GmbH& Co KG, 53% an der Hinterstoder-Wurzeralm Bergbahnen AG, 50% an der Hochficht Bergbahnen GmbH, 51% der Hochkar Bergbahnen GmbH, und jüngst 60% an der Kasberg-Bahnen HWB-Betriebs GmbH.

Die Feratel Media Technologies GmbH in Innsbruck ist heute einer der führenden internationalen Entwickler und Anbieter touristischer Informationssysteme (Panoramafernsehen, Hotelcards, Infoterminals, Buchungslösungen u.a.). Diese Firma hat ebenfalls einige internationale Niederlassungen und betreibt Webcams in über einem Dutzend europäischer Länder und den USA. Weiters gehören dazu 30% an der Schweizer Firma Intermaps, dem führenden Anbieter von Apps zum Thema Tourismus im Alpenraum.

 

Weiters:

 

1992 wurde Peter Schröcksnadel vom Bundesministerium für Wissenschaft der Titel "Professor" verliehen (man muss dafür mindestens 50 Jahre alt sein). 2006 legte er im Zuge des Turiner Dopingskandals seine ÖOC-Vizepräsidentschaft zurück, seit 2012 übt er aber diese Funktion aber wieder aus. Er wurde 2013 bei der Wahl zum Sportler des Jahres mit dem "Special Award" für sein Lebenswerk ausgezeichnet. 2014 fiel er im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Sotschi mit seinem Verständnis für die homophoben Gesetze in Russland auf.


Gute Ergänzung: http://www.tt.com/sport/10169335-91/us-skifahrer-k%C3%B6nnen-ihre-meinung-immer-sagen.csp