Das Sportprogramm der neuen Regierung - eine erste Einschätzung

Habemus Sportminister! Habemus Sportprogramm!

 

Gestern wurde das neue Regierungsteam vorgestellt und auch ein ziemlich umfangreiches Regierungsprogramm (183 Seiten) präsentiert.

 

Der Sport, der in den letzten Jahrzehnten wie ein Wanderpokal - oder wie eine heiße Kartoffel? -  von einem zum anderen Ministerium herumgereicht wurde, bekommt bei der Neu-Zusammensetzung der Ministerien wieder einen neuen Platz: raus aus dem Verteidigungsressort, hin zum Vizekanzler. Das kann nicht nur formell durchaus eine Aufwertung bedeuten, zur Verteidigung passte der Sport (einziger Bezug: Sportler beim HSZ) sowieso überhaupt nicht. Er war ein Anhängsel und der breite Bereich des Gesundheits- und Hobbysports wirkte dort wie ein Fremdkörper.

 

Nun ist der Sport beim Vizekanzler quasi Chefsache, das eröffnet zweifelsohne gewisse Chancen, was beim durch Jahrzehnte vom  Proporz nach alter Farbenlehre geprägten organisierten Sport in Österreich durchaus zu mittleren Panikattacken führen könnte.

 

"Mut zur Veränderung" ist wohl kaum woanders so wichtig wie im Sport.

 

Österreich hat die kompliziertesten, teuersten und ineffizientesten Sportstrukturen der Welt mit dem größten parteipolitischen Einfluss. Es gibt viele parallel agierende Institutionen, von den durchaus üppigen öffentlichen Sportförderungsmitteln kommt nur ein Bruchteil beim richtigen Empfänger an. Jede "Strukturreform" vergangener Minister führte letztlich zu einer weiteren Verkomplizierung und zu einer neuen, teuren Organisation, zuletzt auch zur neuen "Bundes-Sportförderungs GmbH" als Doskozil-Erfindung.

 

Hier wurden vom Ministerium alleine für die Suche des Geschäftsführers, dem ein Bezug in der Nähe eines Ministergehalts garantiert wird, € 26.000.- ausgegeben und letztlich zählten im Widerspruch zur Minister-Garantie fachliche Kriterien praktisch gar nicht. Dafür waren Interventions-Versuche eines großen Wintersport-Verbandes offensichtlich erfolgreich. Als Versinnbildlichung des Scheiterns des eigenen Minister-Anspruchs wurde Promi Armin Assinger als Aufsichtsratsvorsitzender installiert und der Geschäftsführer kann ohne Zustimmung der mit den üblichen Verdächtigen (Schröcksnadel, Stoss, ...) besetzten Gremien gar keine Förderentscheidung treffen. Ob die als Doskozil-Vermächtnis am 1.1.2018 per Gesetz in Aktion tretende GmbH lange agieren darf, ist fraglich. Hoffentlich nicht.
Ergänzung: zu diesem Thema (Doskozil-GmbH) hat der Journalist Johann Skocek hier sehr gut analysiert.

 

In den letzten Wochen wurde hinter den Kulissen mächtig gehudelt und alle Versuche unternommen, kleine oder größere Machtbereiche von Funktionären auch über den Wechsel der Regierung hinaus abzusichern. Bezeichnend für das Chaos: bereits am 23.11.2017 hat das "Team Rot Weiß Rot" (eigentlich eine politische Vorgänger-Institution der Bundes-Sportförderungs GmbH innerhalb des Sportministeriums) auf deren Website ein Dokument mit allen Förderzusagen veröffentlicht, wo u.a. hervorgeht, dass ziemlich genau 50% dieser öffentlichen Fördermittel an ÖSV-Sportler gehen (ob u.a. ein Marcel Hirscher aus Steuermitteln gefördert werden muss, kann woanders diskutiert werden).

 

Von diesen Förderzusagen wurden weder die betroffenen Sportler noch deren Verbände informiert. Einige Sportler haben das Dokument eher zufällig beim Herumgoogeln in den Tiefen der Sportministeriums-Website gefunden und auf diesem Wege erfahren, ob und in welcher Höhe sie gefördert werden.

 

Auf den neuen Sportzuständigen innerhalb der Regierung warten jedenfalls große Herausforderungen. Mit einem Hauch Sarkasmus könnte man sagen: eine leichte Aufgabe, weil schlechter kann's ja nicht werden. Eine wichtige Aufgabe wird sein, den Scherbenhaufen aufzuräumen, den seine Amtsvorgänger hinterlassen haben.

 

Mit großem Interesse habe ich auf das Programm der neuen Regierung gewartet und welchen Stellenwert der Sport hier bekommt. Ich muss sagen, ich bin positiv überrascht!

 

Während z.B. im letzten Regierungsprogramm (oder auch im "Plan A") der Sport praktisch überhaupt nicht vorkam, nimmt er im gestern präsentierten Regierungsprogramm gleich volle 5 Seiten ein. Die Quantität ist natürlich das eine, aber was steht wirklich drin?

 

Zusammenfassend: es ist das erste Mal, dass (was bei einer Reform eigentlich selbstverständlich sein sollte), dem Formulieren von Zielen als erstem Schritt auch konkrete Maßnahmen/Vorschläge zur Umsetzung folgen. Den formulierten Zielen kann man vollinhaltlich folgen, bei der Formulierung der Umsetzung scheinen im vorliegenden Papier sehr viele gute (und zum Teil vollkommen neue!) Punkte auf, manche sind noch überarbeitungsbedürftig und scheinen eher unter Zeitdruck entstanden zu sein. Manchmal erscheinen die Umsetzungsmaßnahmen sehr konkret, manchmal nur als Schlagworte oder eher inhaltslose Überschriften. Das Positive überwiegt auf jeden Fall.

 

Vom neuen Sportminister Strache ist als letzter Sportbezug eigentlich nur bekannt, dass er 2013 seine Ex-Freundin zu einem Fun-Triathlon begleitet hat. In seiner Jugend hat er angeblich beim Sportclub Fußball gespielt, der gerade in Integrations-Belangen engagierte Verein will sich durch diese Aussage aber nicht vereinnahmen lassen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb einmal in einem Porträt über den neuen Sportminister: "...als Schüler findet er einen Ausgleich im Sport: Tischtennis, Schwimmen und Leichtathletik - alles probiert er aus. Der Junge gilt als "der lange, dürre Schnelle", erzählt Strache, er liebe den Wettkampf. Besonders gerne spielt er Fußball, sogar als rechter Flügelstürmer in der Schülermannschaft der Wiener Austria, doch zum Profi reicht es nicht. Mit 15 Jahren ein erstes öffentliches Scheitern: Er bricht die Schule ab." Sonst sind von ihm nur (jugendliche) Wehrsport- und Paintball-Aktivitäten bekannt, die allerdings keinen Einfluss auf seine Minister-Tätigkeiten haben sollten. Die persönliche Mitverantwortung für ca. 15.000 Tote jedes Jahr in Österreich durch Rauchen (inkl. unschuldiger Passivraucher) kann man dem nikotinabhängigen Sportminister nicht nehmen, was ich an anderen Stellen schon ausführlich kommentiert habe.

 

Ich will mich hier auf den Sport beschränken, wobei ein übergewichtiger Raucher an der Spitze der Sportzuständigkeit eines Landes nicht die ideale Symbolfigur ist, aber das verbindet ihn mit seinem Amtsvorgänger.

Nun aber zum Bereich "Sport" im aktuellen Regierungsprogramm, den ich einer ersten (noch längst nicht vollständigen) Analyse unterzogen habe. (Bezug jeweils zur Abbildung nebenan, die mir wichtig erscheinenden Abschnitte habe ich rot unterstrichen)

 

Gleich zu Beginn wird die Notwendigkeit von "Rahmenbedingungen und die damit erforderliche finanzielle und organisatorische Unterstützung..." und von "notwendigen Reformen im Sinne unserer Hobby- und Profisportler" hervorgehoben. 

 

Diese Verbindung der gesamten Bandbreite des Sports und die wechselseitige Bedingung von Gesundheits,- Hobby- und Spitzen/Profi-Sport wird im vorliegenden Programm immer wieder angeführt, und das ist auch ganz wichtig! So dürfen Medaillen bei internationalen Meisterschaften nicht das eigentliche Ziel sein, sondern internationale Erfolge unserer Sportler sollten die logische Folge einer funktionierenden Sport-Pyramide vom Nachwuchs- über den Hobby- zum Spitzensport sein -  sozusagen das Tüpfelchen auf dem "i". Dass dafür eine "übergeordnete und langfristig ausgerichtete Strategie" notwendig ist, haben andere auch schon erkannt, aber bis heute hat dies kein politisch Verantwortlicher jemals ausgearbeitet. Mal schauen.

 

Ganz konkret zu erwähnen "dass das investierte Geld tatsächlich den Sportlerinnen und Sportlern zugute kommt und nicht in den Strukturen hängen bleibt" ist durchaus mutig und eine nicht sehr versteckte Kritik an den aktuellen Zuständen.

 

Einen weiteren Pluspunkt gibt's für die Feststellung: "Je mehr Sport betrieben wird, desto gesünder der Lebensstil". Dass man dabei hinsichtlich der Sportarten durchaus etwas differenzieren müsste, wäre im nächsten Schritt wichtig.

 

"Kinder und Jugendliche von klein auf für Bewegung begeistern" - einverstanden, später kommen sogar ein paar konkrete Maßnahmen.

 

Bei den "Zieldefinitionen" wirkt "Förderung des Universitätssports" ein bisserl unausgegoren, bzw. etwas angelehnt an US-Universitätsstrukturen, die sich von unseren gravierend unterscheiden. Aber sonst ist v.a. wieder die "schlanke Abwicklungsstruktur" eine gute Überschrift, der Taten folgen müssen.

 

Nun gut: nach den "Zieldefinitionen" geht's weiter mit den "Maßnahmen"

 

Und da geht's gleich zur Sache: im Zusammenhang mit der aktuellen Reform (Einrichtung der Bundes-Sportförderungs GmbH) wird festgehalten, dass damit der versuchten Vereinfachung der Strukturen und der Bündelung der Kompetenzen "nicht ausreichend Rechnung getragen..." wurde.

 

Gemeinsam mit der beispielhaften Aufzählung der nach wie vor existierenden "Doppel- und Mehrfachförderung" und einer "Vielzahl von Fördernehmern auf einer Ebene ohne klare Aufgabenzuteilung und ohne klare strategische Leitlinien für die Verwendung der öffentlichen Mittel..." wird damit der neuen GmbH gleich der (verdiente) Todesstoß versetzt. Im Zusammenhang mit der "Vielzahl der Fördernehmer auf einer Ebene..." könnten die (parteipolitisch ausgerichteten) Dachverbands-Funktionäre durchaus etwas nervös werden. An deren Abschaffung oder klar unterscheidbarer Ausrichtung sind schon viele Sportminister gescheitert. Noch mutiger hätte man sich den Rechnungshof-Berichten aus den Jahren 2009 und 2012 anschließen können, wo schon damals "oftmals eine weitgehende Identität von Fördergeber, Fördermittel-Kontrollor und Fördermittel-Empfänger" moniert wurde - ohne Konsequenzen.

Ergänzung: dass es bei den teuren Dachverbänden nicht so bald zu einer Änderung kommen wird, dafür wird u.a. auch der neue Finanzminister Hartwig Löger sorgen, schließlich ist er Präsident der Union und BSO-Vizepräsident...

 

Schließlich werden gegenwärtig nicht nur 3 Bundesdachverbände (ASKÖ, UNION, ASVÖ), sondern auch die nachgelagerten 27 Landes-Dachverbände vom Steuerzahler finanziert. Das bedeutet in der Praxis, dass jeweils Büros angemietet werden, eigene Infrastruktur (EDV, Kopierer, ...) angeschafft und erhalten werden muss, die Personalbesetzung mit gleichen Aufgaben parallel erfolgt, wobei pro Bundesland ein Sport-Servicecenter eigentlich genügen müsste.

 

Die Forderung nach der Verschlankung der Strukturen würde (wie z.B. schon lange in Deutschland geschehen) endlich eine Abschaffung der Selbstbeweihräucherungs-Institution ÖOC und dessen Feudalherrentum bedeuten (gefördert werden gute Freunde, die dann z.B. das Pickerl "Olympiastützpunkt" auf die Tür kleben dürfen, die anderen sind Feinde und werden mit Intrigen und Interventionen mundtot gemacht). Die Aufgaben sollten wie in anderen Ländern von einer übergeordneten nationalen Sportorganisation (BSO) übernommen werden. 

Zur "Bündelung der Kompetenzen" würde auch ein Zusammenführen (oder zumindest inhaltliche Abstimmung) der staatlich organisierten Sporthilfe (Präsident ist der Sportminister) mit den anderen staatlichen Sportförderstellen zählen, selbst wenn die ausgeschütteten Sporthilfe-Fördermittel aus nicht öffentlichen Stellen kommen. Dem Empfänger ist es egal, wo das Geld herkommt.

 

"Ein spezieller Fokus ist dabei auf die Sportstätteninfrastruktur zu legen" - vollkommen richtig! Es ist schon peinlich und blamabel, dass Wien hinsichtlich Sportinfrastruktur abgesehen vom Fußball das Schlusslicht in Europa darstellt.

 

"Sportförderung von der Schule bis zum Spitzensport", "klare Aufgabenverteilung zwischen allen relevanten Akteuren im heimischen Sport" und jetzt kommt's: "Sicherstellung einer größtmöglichen Transparenz bei der Vergabe von Förderungen". Jawohl, das sind wichtige Maßnahmen. Zur Erinnerung: im Bundes-Sportförderungsgesetz 2013 stand explizit, dass der "Sportminister eine Transparenzdatenbank für alle öffentlichen Förderungen" einzurichten hat. Das hat der scheidende Sportminister nie getan. Was hat er stattdessen gemacht? Ein neues Bundes-Sportförderungsgesetz 2017, wo die Forderung nach einer Transparenzdatenbank (wie das z.B. bei EU-Agrarförderungen schon lange problemlos funktioniert) einfach gestrichen wurde. 


Transparenz ist die wichtigste Vorbeugungsmaßnahme gegenüber Freunderlwirtschaft und Korruption, also her damit!

 

Interessantes Detail auch bei den Maßnahmen: "Keine Quersubventionierung der Sportprogrammerstellung in öffentlich rechtlichen Medien aus Sportförderungsmitteln". Wird zwar den ORF nicht freuen, aber das ist längst überfällig, wenn auch nicht weitreichend genug. Wichtig wäre, dass ein absolutes Verbot der Verwendung von Sportfördermitteln (Geld des Steuerzahlers, das eigentlich beim Sportler ankommen sollte) für Regierungsinserate oder sonstige Werbeausgaben aus Sportfördermitteln kommt, bisher war das ein ordentlicher Brocken, der auf diesem Weg abgezweigt wurde und Journalisten/Zeitungsherausgeber freundlich gestimmt hat ...

 

Bei den "Richtigen Rahmenbedingungen für Erfolge im Spitzensport..." wird wieder auf die wichtige Verbindung zum Breitensport hingewiesen.

 

Dass ein "Olympiasieg oder ein WM-Titel"... dafür notwendig wären, könnte man auch breiter diskutieren (äh, wie groß ist der Ansturm der Breitensportler auf die Segelvereine nach der Olympiamedaille von Rio, bzw. wie gesellschaftlich wichtig wäre das?).

 

"Eine Strategie von einer verstärkten Talentförderung in den Schulen bis hin zur Profikarriere..." Wenn das nur ansatzweise gelingt, wird alles gut ;-)

 

Eine "soziale Absicherung von Berufssportlern und im Ausbildungssystem befindlichen Nachwuchssportlern" und eine entsprechende Abstimmung mit schulischer und universitärer Ausbildung würde uns auch international gewaltig weiterbringen.

 

Dass bei der "Ausschöpfung der Planstellen im Heeres-, Polizei- und Finanzsport" (sind da Profisportler beim Zoll gemeint?) die Anstellung von Trainern ("allenfalls unter Einbeziehung von Trainern") möglich wäre, wäre wahrlich revolutionär. Vielleicht wird ja wirklich mal dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Förderung von Trainern einen doppelten Multiplikatoreffekt bringt und die effizienteste Form der Sportförderung darstellt: Trainer betreuen üblicherweise mehrere Sportler und sind die konstante Größe im Sportgeschehen, meist über Jahrzehnte hindurch. Wer also Trainer fördert, fördert viele Sportler und sichert entsprechende Qualität.

 

"... zentrales Ziel unserer Sportpolitik ist es daher, die Anzahl der Menschen zu erhöhen, die regelmäßig Sport betreiben" Ja, genau so soll es sein! Im Prinzip ist alles andere (auch die Förderung des Spitzensports und die Ausrichtung von Großereignissen) diesem Ziel unterzuordnen! - v.a. da noch einmal auf das "Zusammenwirken mit dem Gesundheits- und Bildungssektor" (!) hingewiesen wird.

 

"Vereinsförderung" lässt mich aufhorchen, kleines Beispiel: unser Verein "team2012.at" hat seit seiner Gründung im Jahr 2008 immerhin weit mehr als 100 Medaillen bei österreichischen Meisterschaften in allen Altersklassen gewonnen und einen Olympiateilnehmer, mehrere WM- und EM-Teilnehmer gehabt. Wir haben bisher ca. € 12.000.- an den Wiener und den Österreichischen Leichtathletikverband gezahlt und von dort keinen einzigen Cent erhalten. Je mehr Erfolge wir haben (Cuppunkte), umso mehr müssen wir zahlen. Von Vereinsförderung habe ich bisher nichts bemerkt, die paar hundert Euro vom Dachverband sind weniger als die Kosten für den Abrechnungsaufwand dafür.

 

Ein weiterer ganz interessanter Punkt: "Prüfung einer jährlichen, einheitlich standardisierten, sportspezifischen Erhebung bei Pflichtschülern im Sinne der gesundheitlichen Prävention unter Leistungsrelevanz". Ui, das erinnert mich stark an meine eigenen Forderungen im Buch "Sportland Österreich? Athleten, Abzocker, Allianzen" (2013). Faktum ist, dass es in Österreich nicht einmal ansatzweise ein systematisches Talenterfassungssystem gibt, wo möglichen Talenten Potentiale aufgezeigt werden, die nur dann genützt werden können, wenn man rechtzeitig darauf hingewiesen wird. Das wäre v.a. in einem kleinem Land wie Österreich wichtig, wo in den Volksschulen vielleicht 100 potentielle Olympiasieger sitzen, die es aber nie herausfinden, wenn sie nicht zufällig von einem Lehrer "entdeckt", mit einem Verein zusammengebracht und die Unterstützung der Eltern erfahren werden. "Zwingen" zum Sport kann man sowieso niemanden, aber es wäre ganz nett, wenn man als junger Mensch darauf hingewiesen wird, wozu man vielleicht in der Lage wäre, wenn man das auch wirklich will.

 

Diese systematische Talenterfassung müsste nicht unbedingt jährlich erfolgen, aber vielleicht einmal beim Schuleintritt (mit 6 Jahren) und einmal am Beginn der Unterstufe (10 Jahre), jeweils mit einfachen, altersadäquaten Tests, evtl. auf freiwilliger Basis (die Kinder würden das eh gern machen).

"Bewegungsförderung von klein auf", eine "Optimierung des Aus- und Fortbildungssystems im Sport selbst" - alles zu unterstreichen. 

 

Der Punkt "Zur Bewusstseinsbildung theoretische Inhalte zu Sport, Bewegung und gesunder Ernährung sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit im Lehrplan stärken" gefällt mir besonders. Bisher lernen die Kinder ja - sofern sie nicht zufällig einen engagierten Lehrer haben, der das "freiwillig" abdeckt - zwar mitunter dreimal, wann Hannibal mit den Elefanten die Alpen überquert hat, aber nie, warum Bewegung und gesunde Ernährung wichtig sind.

 

Ein guter Punkt - aus aktuellem Anlass! - ist auch "die Entschärfung der Haftungsbestimmungen für Sportbetreuer in Kindergärten, Schulen und Vereinen." Es sollte nicht mehr passieren dürfen, dass Kindergartenpädagogen, Volksschullehrer oder Trainer in Vereinen verklagt werden können, wenn sich trotz entsprechender Vorsicht einmal ein Kind beim Sport ein Bein bricht.

 

Die "bundesweite Umsetzung der täglichen Bewegungseinheit für alle Kinder ... vom Kleinkind bis zum Ende der Schulpflicht" ("tägliche Turnstunde") klingt zwar gut, ist aber in der Praxis nicht finanzierbar, es gibt nicht genügend Turnsäle und Turnlehrer (selbst wenn externe Trainer herangezogen werden) und ohne entsprechende Rahmenbedingungen ("Anrechnung" von Vereins-Trainingsstunden) werden die Kinder damit den Vereinen und dem leistungsorientierten Sport noch mehr verloren gehen.

 

Der 11-jährige Schüler, der täglich eine Stunde Sport in der Schule hat, wird kaum mehr für den zusätzlichen Sport im Verein zu begeistern sein. Für die "Volksgesundheit" (falls man das Wort verwenden darf) ist die tägliche Bewegungseinheit zwar wertvoll, sie steht in der banalen Form aber im Widerspruch mit den Rahmenbedingungen für den leistungsorientierten Sport.

 

Ganz retro ist bei den Schulsportwochen die Anmerkung "unter Berücksichtigung der Tradition Österreichs als Wintersportland", wobei wohl Schulschikurse gemeint sind. Für Schüler aus dem Osten Österreichs (in den Pflichtschulen tw. ein Großteil mit Migrationshintergrund) ist das nicht nur mangels Interesse, sondern auch aus finanziellen, ökologischen und sportwissenschaftlichen Gründen nicht zeitgemäß. Der alpine Schilauf zeigt bei weiter Anreise und den entsprechenden passiven Zeiten (Lift, ...) ein sehr schlechtes Verhältnis zwischen Bruttoaufwand und Netto-Trainingswirkung. Die Schüler im Westen werden ohnehin Schifahren und polysportive Schulsportwochen sind jedenfalls sinnvoller - sofern es nicht um eine versteckte Tourismusförderung geht.

 

Die Anmerkungen zum Sport als "wichtiger Hebel für Inklusion" und als wichtige Integrationsmaßnahme sind jedenfalls zu unterstreichen, wobei Sport gesellschaftlich sogar weitergehend eine wichtige Rolle in der Gewalt- und Kriminalitätsprävention spielt und Betreuer im Sport auch immer Sozialarbeiter sind.


Ohne Ehrenamt geht im österreichischen Sport gar nichts, das vernünftige, ergänzende Nebeneinander von ehren- und hauptamtlichen Betreuern und Funktionären ist für das Funktionieren im Sinne aller Beteiligten unerlässlich.

 

Bei der Formulierung "... engen Austausch zwischen den Sportverbänden und der Österreich-Werbung bzw. den Tourismusverbänden" hat man trotz des expliziten Anführens des Beispiels Mountainbiken wohl ein bisserl an der Praxis vorbeigedacht. Welche Rolle spielte z.B. der Radsportverband bei der Positionierung Leogangs als Mountainbike-Zentrum?

 

Wenn man sich als Tourismusverantwortlicher Expertise von Fachverbänden holen möchte, werden sich diese kaum verwehren. Wenn man das entsprechende Know-how mit den Tourismusverbänden zusammenführt, hätte man z.B. schon längst ein funktionierendes Höhentrainingszentrum in Österreich geschaffen und man müsste österreichischen Spitzensportlern nicht mehr deren Höhentrainings-Aufenthalte in St. Moritz oder sonst wo im nahen Ausland finanzieren.

 

Die Berücksichtigung der (Profi-) Sportler im Sozialversicherungsrecht wäre natürlich nett und die Errichtung eines "Hauses des Sports mit der Darstellung der Erfolgsgeschichte des österreichischen Sports" erinnert ein bisserl an diverse "Hall of Fame"-Einrichtungen in den USA, was angesichts der Kosten vielleicht nicht höchste Priorität bekommen muss.

 

Interessant ist der letzte Punkt: "Prüfung der Möglichkeit der Absetzbarkeit von Spenden an gemeinnützige Sportvereine". Das klingt gut, da wehre ich mich auch nicht, aber das wird vermutlich viele Vereine und Institutionen aus anderen Bereichen auf den Plan rufen, die sich als mindestens so unterstützungswürdig betrachten.

 

Dem halte ich entgegen: Wenn wir Aufwendungen für Religionsgemeinschaften ("Kirchensteuer") steuerlich absetzen können, warum nicht wahlweise auch Mitgliedsbeiträge für gemeinnützige Sportvereine? Das leibliche Wohl ist in einer aufgeklärten Gesellschaft wohl mindestens so wichtig wie die spirituelle Komponente und mit dieser Form von Sportförderung würde man mehrere positive Effekte auf einmal erreichen.

 

Was im Regierungsprogramm allerdings komplett fehlt: der Bereich Dopingbekämpfung und auch Maßnahmen gegen den immer häufigeren Wettbetrug im Sport, das ist bedenklich! Schon jetzt spielt Österreich bei der Dopingbekämpfung nur mehr in der 2. Liga in Europa. Während in Deutschland, Frankreich, Italien und immer mehr anderen Ländern (Eigen-) Doping als Strafrechtstatbestand gilt und damit neben fairen Verfahren auch entsprechende Ermittlungsmethoden zur Ausforschung der "Hintermänner" möglich sind, müsste Österreich vielen Worten endlich auch entsprechende Taten folgen lassen!

 

Abschließend möchte ich zusammenfassend anmerken: das Kapitel "Sport" im vorliegenden Regierungsprogramm hat mich insgesamt sehr positiv überrascht. Papier ist aber geduldig, entscheidend wird sein, wie viele dieser Punkte in welcher Form praktisch umgesetzt werden. Der österreichische Sport hat sich jedenfalls entsprechende Reformen verdient und die Chance ist jetzt gegeben.

 

Das komplette Regierungsprogramm zum download

 

weitere Berichte in den Medien dazu:

Tiroler Tageszeitung (14.12.)

derStandard.at (16.12.)

Vienna.at (17.12.)

OÖN.at (19.12.)

Fritz Neumann im Standard (20.12.) mit Bezugnahme auf diesen Beitrag

 

Anm: Diese Analyse wird noch überarbeitet werden. Falls sich kleine Fehler unter Zeitdruck eingeschlichen haben, bitte mich kontaktieren, damit ich das ändern kann. Letztes update: 18.12.2017 
PS: Ich wurde in der frühen Phase der Koalitionsverhandlungen von einem Mitglied des Verhandlungsteams zu einem langen Gespräch geladen, wo ich meine persönlichen Vorstellungen unterbreiten konnte. Wenn davon 0,1% in das vorliegende Programm eingeflossen sind, freue ich mich. Das Gleiche ist vorher schon bei 3 anderen Parteien passiert.
PPS: Und wieder will ich darauf hinweisen, dass ich mich niemals parteipolitisch vereinnahmen lasse und alle meine persönlichen Anmerkungen keinesfalls eine parteipolitische Präferenz als Hintergrund haben. Ich habe immer betont, dass der weitreichende parteipolitische Einfluss das Grundübel im österreichischen Sport ist und dazu stehe ich.