ÖLV-Präsident Vallon zurückgetreten. Kein Sieg, aber Voraussetzung für einen vernünftigen Neustart im ÖLV.

 

Heute am Vormittag erreichten mich von Teilnehmern an der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz des ÖLV in Wien mehrere SMS mit "Vallon ist weg", "jawohl, vallon zurückgetreten" und auch Gratulationen per mail und fb-Nachrichten. Die Gratulationen sind aber unangebracht, weil es war kein Match Lilge gegen Vallon, sondern ein engagiertes Bemühen meinerseits für eine Verbesserung des ÖLV-Zustandes. Eine Verbesserung, die dringend notwendig erscheint. Mehrere Spitzenathleten, Trainer und Funktionäre bekundeten die letzten Tage und Wochen ihren Unmut und ihre Enttäuschung über die Entwicklungen des Verbandes während der letzten Jahre, die in Form von Machtspielchen und persönlichen Eitelkeiten auf dem Rücken der Athleten und betreuenden Personen ausgetragen wurden. Statt einem Miteinander und einer klaren Linie für den Sport ist der ÖLV heute ein Sammelbecken von verfeindeten Cliquen und schafft bei Konzentration auf ganz wenige Athleten insgesamt ein absolut leistungsfeindliches Klima, das Begriffe wie Wertschätzung, fair play und Respekt vermissen lässt.

Zuerst einmal muss man Ralph Vallon Respekt für seinen Rücktritt zollen, auch wenn dieser nicht so freiwillig war, wie er es jetzt darstellt. Zuletzt ging es wie in der Politik (Vallon war früher auch Kommunikationsverantwortlicher der FPÖ, bevor er das Lager wechselte) nur mehr darum, möglichst ohne Gesichtsverlust aus dem Amt auszuscheiden und dabei keinerlei eigenes Fehlverhalten einzugestehen, sondern andere Personen für den Vertrauensverlust verantwortlich zu machen. Vallon nutzte bei der PK die Gelegenheit darauf hinzuweisen, was er angeblich Positives für den ÖLV geleistet hat. Der Rücktritt "aus persönlichen Gründen", bzw. "wegen meiner Arbeit und meiner Familie" ist natürlich so glaubwürdig wie ein Osterhase, der zu Halloween Geschenke bringt.

 

Die entsprechende Meldung auf der ÖLV-Website erinnert stark an Zeiten des Obersten Sowjets, wo der erzwungene Rücktritt von Vallon "als Weichenstellung für die Zukunft" verkauft wird. Als besondere Perfidie posierten Vallon und Generalsekretär Helmut Baudis (der mir ein paar Monate nach Amtsantritt von Vallon im Jahr 2011 mitgeteilt hat, dass es ein schwerer Fehler gewesen sei, Vallon zu holen und er sich leider täuschen hat lassen) vor einem Sujet mit Läuferin Jenny Wenth. Vallon hatte Wenth im Interview mit der Bezirkszeitung als "weit von der internationalen Klasse entfernt" eingeschätzt, obwohl sie bei mehreren internationalen Meisterschaften der letzten Jahre erfolgreichste ÖLV-Athletin war. Sei‘s drum, man brauch ihm jetzt kein Hackl ins Kreuz hauen. 

Seine Kritik an mir persönlich (die ich jetzt nur aus der apa-Meldung auf orf.at oder standard.at und krone.at kenne) nehme ich recht gelassen zur Kenntnis, so psychisch gefestigt bin ich schon, dass ich das aushalte, auch wenn ich nicht genau weiß, was ein „facebook-Beauftragter“ ist. Allerdings dürfte einem Medienprofi wie Vallon nicht so ein Kapitalfehler unterlaufen, dass er einen der einflussreichsten Sportjournalisten des Landes, der sich seit Jahrzehnten mit der Leichtathletik beschäftigt und sich in diesem Bereich sicher 100 mal besser auskennt als Vallon selbst, öffentlich als „typischen Intriganten“ bezeichnet.

 

Faktum ist, Vallon hat im ÖLV einen Scherbenhaufen hinterlassen und vor allem durch personelle Entscheidungen im Feudalherrenstil (gemeinsam mit seinem engsten ÖLV-Freund Gregor Högler) nachhaltigen Schaden verursacht. Viele erfahrene und erfolgreiche Trainer – auch im Nachwuchsbereich – wurden die letzten Jahre abserviert oder so weit gebracht, dass sie sich selbst vom ÖLV in der gegenwärtigen Form verabschiedeten.  Der Frust unter den Athleten ist groß, eine angemessene Wertschätzung der besten Sportler Österreichs schaut jedenfalls anders aus. Die Leichtathletik-Familie, die ohnehin klein ist, ist zerstritten und frustriert, darüber können auch die hervorragenden Leistungen von Athleten wie gegenwärtig Lukas Weißhaidinger nicht hinwegtäuschen. (Der offensichtlich bei jeder Gelegenheit betonen muss, dass er „ein Verbandsprodukt“ ist, …)

Nun wird am 19. November ein neuer Präsident gewählt, bis dahin führt interimistisch Sonja Spendelhofer als bisherige erste Vizepräsidentin (es gibt insgesamt 5 (!) Vizepräsidenten) des ÖLV die Geschäfte. Sie ist gewiss eine integre Persönlichkeit und kann die aufgeheizte Stimmung bis zur Wahl eines neuen Präsidenten hoffentlich etwas beruhigen. Denn egal was gesagt oder getan wurde, nun ist es an der Zeit, dass sich alle Beteiligten zusammensetzen, denen die Zukunft der österreichischen Leichtathletik am Herzen liegt.

 

Der neue Präsident

Bei der Wahl zum Präsidenten eines Fachverbandes gibt es immer zwei Möglichkeiten

 

a)    Ein Mann (oder eine Frau – in weiterer Folge verzichte ich aufs Gendern) aus der Wirtschaft, der viel Geld bringt und sich die richtigen Berater aussucht.

 

b)     Ein Leichtathletik-Fachmann, der die Leute kennt und Leistungen einschätzen kann

Mit einem Nicht-Fachmann, der versprochen hat, viel Geld zu bringen, das dann nie gekommen ist, haben wir mit Vallon nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht. Deshalb spricht viel für einen Mann aus der Leichtathletik. Wenn es gelingt, dass die Leichtathletik dort positioniert wird, wo sie hingehört, werden auch eher Partner aus der Wirtschaft gefunden werden.

 

Entscheidend scheint jedenfalls, dass der neue ÖLV-Präsident wieder das Feuer bei allen Beteiligten entfacht und eint statt Zwietracht sät. Es geht in erster Linie nicht darum Aufgaben zu verteilen, sondern die Begeisterung für die Sache – unsere Leichtathletik – wieder zu wecken und diese Begeisterung laufend mit Leben zu erfüllen. Die Leichtathletik ist DIE Kernsportart der olympischen Spiele. Wenn in einem Land die Leichtathletik funktioniert, funktioniert auch der Sport insgesamt.

Das Anforderungsprofil an den Präsidenten des ÖLV würde ich mal grob wie folgt beschreiben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Keine Nähe zur Parteipolitik – letztlich das Grundübel bei der letzten Bestellung;
  • Kein Dachverbands-Funktionär (solange es die Dachverbände noch gibt) – sonst kommen gleich wieder die anderen Dachverbände und wollen als Ausgleich auch ihre Jobs und entsprechenden Einfluss.
  • Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit Medien (inkl. neue Medien) – die Leichtathletik nach außen repräsentieren und bedingungslos hinter den Athleten und Betreuern stehen. Kein Diplomat mit vielen Konjunktiven und Allgemeinplätzen, sondern ein Mann mit Ecken und Kanten. Ein ÖLV-Präsident braucht nicht Everybody’s Darling zu sein, sondern muss für seine Sportler kämpfen. Dazu bedarf es auch einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit.
  • Wirtschaftliches know-how – letztlich geht es um die Verteilung knapper Ressourcen und größtmöglicher Effizienz;
  • Einigen statt Auseinanderdividieren von Spitzen- und Breitensport, von Nachwuchs- bis zu Masters-Athleten und von allen Disziplingruppen;
  • Wertschätzung der besten Leichtathleten Österreichs – junge Athleten und Athleten „der zweiten Reihe“ müssen einen Ansporn darin sehen, zuerst einmal national an die Spitze zu kommen mit der Option auf eine weitere Entwicklung.
  • Wertschätzung aller Trainer im Nachwuchs- und Spitzenbereich und aller ehrenamtlichen Funktionäre, die für die Arbeit an der Basis unbedingt notwendig sind;
  • Aktives Bemühen um das Einbinden aller LA-Interessierten, aller ehemaligen und aktiven Trainer und ehemaligen Spitzenathleten, aller LA-Veranstalter, die etwas zur Weiterentwicklung der LA beitragen können und wollen. Es ist eine unzumutbare Ressourcenverschwendung, wenn auf dieses know-how und diese Erfahrung nicht zugegriffen wird. (Konkret gehört z.B. Herwig Grünsteidl unbedingt wieder beschäftigt!)
  • Kenntnis der komplizierten Sportstrukturen Österreichs – jemand „von außerhalb“ braucht einfach zu lange, um das zu durchschauen.
  • Proaktive Haltung durch eigene Vorbildwirkung beim Bemühen um Imageverbesserung von Sportfunktionären, also „überkorrektes“ Verhalten (keine business-class Reisen, VIP-Buffet-Tourismus, etc.);
  • Bemühen um größtmögliche Transparenz und Positionierung des ÖLV als serviceorientierten Dienstleistungsbetrieb für alle Zielgruppen, also Athleten, Betreuer und alle LA-Interessierten;
  • Führungsstil als effiziente Kombination von Fordern und Fördern, das gilt für die Athleten, aber auch für die ÖLV-Mitarbeiter.
  • Aktives Engagement gegen Doping – das ist heute unbedingt notwendig, das sind wir den ehrlichen Athleten schuldig. Im Bereich des ÖLV dürfen keine Personen tätig sein, die durch schuldhaftes Verhalten mit Doping in Berührung gekommen sind. Absolute Integrität ist auch in dieser Beziehung unabdingbar.

In den nächsten Tagen werde ich mich mit einem gesonderten Beitrag mit den wichtigsten ÖLV-Mitarbeitern beschäftigen, die auch in der Pressekonferenz erwähnt wurden (Hannes Gruber, Helmut Baudis, Gregor Högler, Philipp Unfried, …)

 

update 10.9.

Der Umstand, dass Vallon im Zuge seines Rücktritts noch schnell versucht mit personellen Änderungen ein Vermächtnis im negativen Sinn zu hinterlassen, mutet besonders befremdlich an. Das sehen offensichtlich auch andere so.

Erfreulich aber die erste Stellungnahme von der interimistischen ÖLV-Präsidentin Sonja Spendelhofer für den ORF, deren Aussagen einen guten Kontrast zum Ex-Präsidenten Vallon darstellen.

 

Christoph Sander, selbst Läufer und Lebensgefährte von der kritisierten Jenni Wenth, war selbst bei der Pressekonferenz dabei. Er hat die ganze PK auf Tonband aufgenommen und heute Wort für Wort transkribiert.
So kann sich jeder selbst gut ein Bild machen:
Die Pressekonferenz im vollen Wortlaut